Erscheinungsbild Die Biberratte erreicht eine Körperlänge von bis zu 65 cm und wiegt erwachsen zwischen acht und zehn Kilogramm. Ihr runder, schuppenbedeckter, kaum behaarter Schwanz hat zudem eine Länge von etwa 30 bis 45 Zentimetern. Die Tiere erreichen damit fast dieselbe Körpergröße wie ein Biber. Männliche Biberratten werden generell etwas größer als die Weibchen. An den Hinterfüßen haben Biberratten jeweils zwischen den ersten vier Zehen Schwimmhäute. Auffällig sind bei erwachsenen Tieren auch die orangefarbenen Nagezähne. Schädel einer Biberratte aus vier Perspektiven; deutlich sichtbar ist die Anlage der Nagezähne Die Fellfarbe der Biberratte ist rötlichbraun, an der Bauchseite leicht gräulich. Aus Pelztierzuchten entflohene Tiere zeigen daneben eine Reihe farblicher Varianten. Bei ihnen kommen hellgraue, dunkelgraue, schwarze, braune, rötliche, gelbliche oder fast weiße Fellfarben vor. Die Zahnformel der Biberratte weicht zu der der meisten Nagetiere dadurch ab, dass die Biberratte neben den Molaren noch über jeweils einen Prämolar verfügt. Vorkommen Die ursprüngliche Heimat der an Flüssen, Seen, Teichen und in Sümpfen lebenden Biberratte ist das subtropische und gemäßigte Südamerika. Dort kommt sie vom südlichen Brasilien bis nach Feuerland vor und stand im 19. Jahrhundert kurz vor der Ausrottung. Grundsätzlich leben die Tiere sehr standorttreu und verteidigen engagiert ihr Revier. Die Biberratte gilt heute als in weiten Teilen Nordamerikas und Eurasiens eingebürgert. Der Bestand in Eurasien ist auf ab dem 18. Jahrhundert aus Pelztierfarmen entflohene Tiere wie auch auf bewusste Auswilderungen zurückzuführen. Insbesondere nach dem Zusammenbruch des Pelzmarktes im 20. Jahrhundert entkamen zahlreiche Tiere und konnten sich aufgrund einer nicht mehr stattfindenden Bejagung stark vermehren. In den USA wurden in den 1930er-Jahren die ersten Tiere nach Louisiana exportiert. Dort wurden sie wegen der Felle in Pelztierfarmen gehalten. Von dort aus haben wieder so genannte Gefangenschaftsflüchtlinge aufgrund des für Nutrias günstigen lokalen Klimas und ihrer hohen Vermehrungsrate sehr schnell eine nach Millionen zählende Population begründet. Auch gezielte Auswilderungen kamen vor. Vereinzelte Vorkommen gibt es zudem in Kenia (am Naivashasee), Japan (südlich der Stadt Okayama) und West-Australien. Biberratte bei der Fütterung mit einer Mohrrübe In Deutschland ist die Biberratte an etlichen Gewässern in allen Bundesländern zu finden. Größere und weitgehend beständige Populationen gibt es unter anderem an den Flüssen Niers, Schwalm und Cloer am Niederrhein und an der Spree im Osten Deutschlands, insbesondere im Spreewald. Meistens sind die Tiere, insbesondere in Parkanlagen oder auf Golfplätzen, an den Besuch von Spaziergängern gewöhnt und lassen sich ohne viel Scheu mit Gemüse füttern. Eine wirklich starke Verbreitung findet in Deutschland allerdings nicht statt, weil Mitteleuropa den verwilderten Farmtieren kein günstiges Klima bietet. Manche Populationen brechen daher nach wenigen Jahren wieder zusammen. Lebensweise Biberratten sind sowohl tag- als auch nachtaktiv, insbesondere dämmerungsaktiv. Sie sind fast reine Vegetarier und ernähren sich vorwiegend von Blättern, Stängeln, Wurzeln von Wasserpflanzen und Hackfrüchten. Seltener werden auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln gefressen.[1] Die Tiere leben entweder paarweise oder in Gemeinschaften von etwa 12 bis 15 Tieren. Diese umfassen dann in der Regel die Eltern und eigene Nachkommen. In ihrer Heimat sind sie zumeist sogar koloniebildend (= größere Gruppen). Sie leben monogam. Nach einer Tragzeit von 19 Wochen bringt das Weibchen 6 bis 8 recht weit entwickelte, sehende und voll behaarte Junge zur Welt, die nach 5 Monaten geschlechtsreif sind. Zwei bis drei Würfe pro Jahr sind möglich. Als Bauten dienen selbstgegrabene Erdbaue im Uferbereich oder „Nester“ aus langblättrigen Pflanzen (Schilf) und dünneren Stöcken, deren Eingänge im Gegensatz zum Bisam und zum Biber oberhalb der Wasserlinie liegen (Unterscheidungsmerkmal). Biberratten können über 10 Jahre alt werden. Nutzung Die Biberratte ist ein Pelzlieferant. Nutriafelle sind vor allem wegen ihrer dichten und äußerst feinen Unterwolle begehrt. Wegen des nicht sehr attraktiven Oberhaars werden die Felle meist gerupft oder geschoren und dann gebügelt. Biberratte, helle Farbvariante Die Biberratten wurden vermutlich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts bewusst in Deutschland eingeführt und zwecks Nutzung ausgewildert. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die freilebenden Bestände wegen der damals sehr hohen erzielten Preise für Nutriapelze (Sealfellersatz) durch intensive Bejagung weitgehend ausgerottet,[1] mit Zunahme der Zucht und dem späteren Abflauen der samtigen Optik in der Pelzmode trat eine Bestandserholung ein. Die damaligen europäischen Bestände stammten noch von südamerikanischen Wildtieren ab, sie hatten gegenüber den heutigen Beständen, die aus Nachkommen von langjährigen Zuchtlinien bestehen, deutlich besser ausgeprägte Überlebensfähigkeiten.[1] Erst in den 1920er Jahren gelang es dann mit aus Argentinien importierten Nutrias, diese in Gefangenschaft zu halten und zu züchten. Zwischen 1930 und 1940 gab es in Deutschland insgesamt über 1000 Nutria-Farmen, die jährlich fast 100.000 Felle lieferten. Wegen des Zweiten Weltkriegs ging dieser noch junge Erwerbszweig stark zurück, erstarkte in der 1950er Jahren jedoch wieder, um dann bis heute – vor allem modebedingt – wieder sehr zu schrumpfen. Ferner gilt Nutriafleisch als sehr schmackhaft, gelegentlich auch als „Biber“ (von Sumpfbiber abgeleitet) auf den Speisekarten. 1958 heißt es, „Das Fleisch der Nutria ist als Genussmittel geschätzt, insbesondere in Südamerika bei der einheimischen Bevölkerung und den Jägern. Es ist sehr zart und wohlschmeckend. Im Geschmack kommt es etwa dem Spanferkel gleich. Überdies bemüht sich die argentinische Regierung, den Konsum von Nutriafleisch zu heben, um die Rentabilität der Farmzucht zu erhöhen.“ Nicht nur in Teilen Nordamerikas sind ausgewilderte Nutrias so sehr zur Plage geworden, in Louisiana wurde mit einem Aufwand von 2,1 Millionen $ für den Verzehr von Nutriafleisch geworben, „um die Plage aufzuessen“. – Vor dem Verzehr ist in Deutschland eine Trichinenschau wegen möglicher Trichinen-Infektionen Pflicht. Schäden Es wird gelegentlich von Schäden an Feldfrüchten in der Landwirtschaft und in Kleingärten berichtet. In der Regel sind in Deutschland die verursachten Schäden in Bezug auf den Wasserbau durch Grabungen in Uferbereichen gering. An einigen Gewässern ist dies im Zuge der Renaturierung auch unproblematisch. Man hält den Tieren zugute, dass Biberratten dort, wo sie auftreten, die ebenfalls eingebürgerten Bisamratten zurückdrängen. Außerdem sind ihre Bestände gut kontrollierbar. Man sieht in Mitteleuropa keinen Grund, Biberratten grundsätzlich zu bekämpfen. |